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Der Traum von der Selbständigkeit

Sein «eigenes Ding machen» und in die Selbständigkeit starten – diesen Traum von beruflicher Unabhängigkeit haben viele. Wer den Schritt wagt, denkt als erstes sicher an Kundinnen und Kunden, innovative Produkte  und Preise, aber selten an Krankentaggeld, Unfallversicherung oder BVG. Das kann im Ernstfall teuer werden.

Selbständig erwerbend zu sein bedeutet, in eigenem Namen, auf eigene Rechnung, in unabhängiger Stellung zu arbeiten und das eigene wirtschaftliche Risiko zu tragen. Aufträge werden selbst akquiriert, man bestimmt frei über die Art und Weise der ­Auftragserbringung und ist keinen Weisungen unterworfen. ­Selbständigerwerbende tragen die volle Verantwortung für ihren Betrieb, Investitionen, Werbung und Organisation. Wer indes die eigene Tätigkeit im Rahmen einer eigens gegründeten Aktien­gesellschaft oder GmbH aufnimmt, gilt nicht als selbständig er­werbend, sondern von der juristischen Person angestellt. 

Rechtlich wird dieser Status in der Schweiz von der Ausgleichskasse geprüft. Kriterien sind etwa das Vorliegen mehrerer Auftraggebender, das eigene Unternehmerrisiko, die selbst gewählte Preisgestaltung und der Einsatz eigener Infrastruktur. Eine korrekte Anmeldung bei der AHV-Ausgleichskasse ist deshalb unerlässlich und bildet die Grundlage für eine rechtssichere Selbständigkeit.

Sozialversicherungen im Überblick: Unterschiede zur Anstellung  

Für Arbeitnehmende übernimmt der Arbeitgeber viele Aufgaben in der sozialen Absicherung: Beiträge werden direkt vom Lohn abgezogen und an AHV/IV/EO, Arbeitslosenversicherung (ALV), Unfallversicherung, die berufliche Vorsorge (BVG) und die Krankentaggeldversicherung weitergeleitet. Der Arbeitgeber beteiligt sich auch finanziell an diesen Prämien. 

Selbständigerwerbende hingegen tragen die Verantwortung allein. Obligatorisch ist nur der Anschluss an AHV/IV/EO. Für alle anderen Risiken sieht der Gesetzgeber keinen obligatorischen Schutz vor. Besonders gravierend ist dabei unter anderem die fehlende Deckung in der ALV: Wer selbständig ist, zahlt nicht in diese ein und hat damit im Falle einer Geschäftsaufgabe oder eines Auftragsrückgangs keinen Anspruch auf Entschädigung. Ein abruptes Ende der selbständigen Tätigkeit kann also schnell existenzbedrohend werden. 

Diese Eigenverantwortung bedeutet zwar mehr Freiheit in der Wahl der Versicherungen und Vorsorgeformen, sie erfordert aber auch deutlich mehr Planung und Risikobewusstsein. Wer es versäumt, sich im Rahmen der Vorbereitungen frühzeitig auch mit diesen Themen auseinanderzusetzen, kann später ohne Netz und doppelten Boden dastehen.  

Die AHV/IV/EO bleibt Pflicht 

Die AHV/IV/EO bilden das Fundament des Schweizer Sozialver­sicherungssystems und sind auch für Selbständigerwerbende obligatorisch. Wer selbständig wird, muss sich bei der kantonalen Ausgleichskasse anmelden. 

Die Beiträge werden auf Basis des Reineinkommens berechnet. Anders als bei Arbeitnehmenden liegt kein einheitlicher Beitragssatz vor. Die Besonderheit bei Selbständigerwerbenden ist, dass der AHV/IV/EO-Beitragssatz in seiner Höhe und in Abhängigkeit vom Reineinkommen variiert und im Maximum 10 Prozent beträgt. So bezahlt beispielsweise eine Selbständigerwerbende mit einem Reineinkommen von 75 000 Franken AHV/IV/EO-Beiträge in der Höhe von 7500 Franken pro Jahr.

Keine obligatorische Risikoabsicherung bei Unfall und Krankheit 

Ein existenzielles Risiko für Selbständigerwerbende ist der Ausfall der eigenen Arbeitskraft. Arbeitnehmende sind über den Arbeitgeber obligatorisch gegen Unfälle versichert und profitieren oft von einer kollektiven Krankentaggeldversicherung. Selbständigerwerbende hingegen müssen sich selbst um diesen Schutz kümmern. Denn ohne diesen entsprechenden Schutz kann schon ein einziger Unfall gravierende finanzielle Folgen haben. Eine private Unfallversicherung kann Heilungskosten, Taggeld und Invaliditätsleistungen abdecken. Ausserdem besteht die Möglichkeit, sich freiwillig nach UVG zu versichern und damit einen gleichwertigen Schutz wie Arbeitnehmende zu erhalten.  

Wer erkrankt und kein Krankentaggeld versichert hat, erhält im Krankheitsfall kein Einkommen und muss dennoch Fixkosten wie Miete, Kredite oder laufende Geschäftsausgaben weiterzahlen. Denn als selbständig erwerbende Person kann man sich nicht auf Lohnfortzahlungs-Pflichten gemäss Obligationenrecht berufen. Deswegen ist eine freiwillige Krankentaggeldversicherung dringend zu empfehlen. Sie deckt in der Regel 80 Prozent des Einkommens ab einer vereinbarten Wartefrist und sichert so die Liquidität im Krankheitsfall. 

Das BVG entfällt – und nun? 

Die berufliche Vorsorge (BVG) ist für Arbeitnehmende mit einem Jahreseinkommen über 22 680 Franken obligatorisch und wird hälftig vom Arbeitgeber mitfinanziert. Dieses System fällt für Selbständigerwerbende weg, wenn sie sich nicht freiwillig anschliessen. Die Folge sind oft grosse Vorsorgelücken im Alter. 

Um dem vorzubeugen, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Selbständigerwerbende können sich freiwillig einer Pensionskasse anschliessen. Alternativ oder ergänzend bietet sich die gebundene Vorsorge (Säule 3a) an. Diese ermöglicht unter anderem steuerbegünstigtes Sparen mit jährlichen Maximalbeiträgen. Wer regelmässig einzahlt und früh damit beginnt, kann über Jahre einen wichtigen Kapitalstock aufbauen. 

Gerade Selbständigerwerbende sollten sich bewusst mit ihrer Vorsorgeplanung auseinandersetzen, um im Ruhestand nicht auf das Existenzminimum zurückzufallen. Eine erst kürzlich veröffentlichte Studie über Ergänzungsleistungen zeigt: Ein Grossteil der Personen, die im Alter auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind, waren während ihrer beruflichen Laufbahn selbständig erwerbend.

Selbständig, aber nicht schutzlos 

Die Selbständigkeit bietet unternehmerische Freiheit, Flexibilität und die Chance auf Selbstverwirklichung. Sie bedeutet aber auch, alle sozialen Risiken selbst abzusichern. Deshalb ist eine umfassende Planung unerlässlich. Wer Risiken früh erkennt und gezielt absichert, schützt sich selbst, seine Familie und das eigene Geschäft. Beratung durch Fachleute und regelmässige Überprüfung der gewählten Versicherungen und Vorsorgelösungen helfen dabei, finanzielle Engpässe zu vermeiden und die Selbständigkeit auch langfristig auf ein solides Fundament zu stellen.

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Marco Riedi ist Sozialversicherungsfachmann und Ausbilder mit eidg. Fachausweis, ­Dozent für Sozialversicherungsrecht an diversen Weiterbildungsinstitutionen sowie Gründer und Geschäftsführer der Bedra GmbH in Chur. bedra.ch

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