Porträt

Kommunikation als A und O

«Bundesräte sind sehr viel unterwegs, ihr Tagesrhythmus ist intensiv und durchgetaktet», berichtet Michel Schielly. Er ist der einzige Mann im Vorzimmer eines Mitgliedes der Landesregierung und unterstützt als persönlicher Assistent seit Februar 2024 den Chef VBS – derzeit Bundesrat Martin Pfister. Ein Gespräch im Bundeshaus Ost über Diskretion, Präzision und das Privileg, im Herzen der Schweizer Politik zu arbeiten.

Passkontrolle. Schleuse statt Türe. Wer ins Bundeshaus Ost will, kann nicht einfach so hineinspazieren, sondern muss einen guten Grund dafür haben. Denn auch wenn unsere Landesregierung im Alltag häufig ohne Personenschutz gesichtet wird, bestehen im Herzen von Bundesbern rigide Sicherheitsvorkehrungen. 

Die Fotografin und ich dürfen heute zum Glück rein, denn wir treffen den einzigen männlichen Assistenten in den Vorzimmern der Landesregierung: Michel Schielly. Der 32-jährige Assistent des Chefs VBS (Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport) hat eine starke Bindung zu seinem Arbeitsplatz in Bern, absolvierte er doch schon seine Lehre im Bundeshaus. «Und das als Basler», sagt er nicht ohne Schmunzeln. 

Bis heute pendelt er von Basel nach Bern und wieder zurück. «Bern ist zweifellos wunderschön, aber Basel ist meine Heimat», sagt er. Ausserdem nutze er den Heimweg jeweils, um herunterzufahren und im Feierabend anzukommen. Denn die Tage im Bundeshaus sind intensiv und lange, bestätigt Schielly ohne Bedauern. 

«Es ist ein Privileg, für ein Mitglied der Landesregierung arbeiten zu dürfen», sagt der 32-Jährige, der für seinen Job gern mal die Extrameile geht, zumal sein Engagement von seinen Vorgesetzten sehr wertgeschätzt werde: «Eben, dass ich vorausschauend agiere, die Kohlen aus dem Feuer hole, bevor sie brennen. Und dass Aufträge, die man mir erteilt, anstandslos erledigt werden – auch mal am Wochenende, wenn ein Auftritt oder ein Auslandsaufenthalt des Bundesrates ansteht.» 

Darum besitze er auch zwei Handys, ein privates und ein geschäftliches, das er dann auch mal zwischendurch checke – bei Dringlichkeiten reagiere er. Einzige Ausnahme seien jeweils die Ferien. «Da bin ich dann wirklich nicht erreichbar», sagt Michel Schielly. Doch auch hier gebe es für ihn eine Spezialregelung: Seine Ferien sind dem Kalender des Bundesrates angepasst. «Aber damit habe ich mich gut arrangiert», sagt der engagierte Assistent.

Welcome Berne 

Das erste Mal Bundeshaushaltsluft schnupperte Michel Schielly 2010, als er sich für eine Lehrstelle erkundigte – und war sofort vom Arbeitsumfeld fasziniert. «Ich wusste: Hier möchte ich meine Lehre absolvieren.» Aufgrund seiner Legasthenie war er sich jedoch unsicher, ob er die ausgeschriebene Lehre als Kaufmann im damaligen Volkswirtschaftsdepartement bekommen würde. 

«Die damalige Berufsbildnerin kontaktierte mich nach dem Schnuppern und meinte, sie hätten einen guten Eindruck von mir. Sie bot mir an, mich zu einer Attestausbildung aufzunehmen, und wenn die Noten stimmen würden, könnte ich danach die verkürzte kaufmännische Lehre anhängen.» Da war für Schielly klar: «Das mache ich!» 

Nach der Lehre konnte der damals 21-Jährige beim Arbeitgeber bleiben und unterstützt die damalige Kollegin im Kommunikationsdienst, die für die öffentlichen Auftritte von Bundesrat Johann Schneider-Ammann zuständig war. «Diese Arbeit gefiel mir sehr: koordinieren, mit Veranstaltern zusammenarbeiten, Einladungen prüfen, mitentscheiden, ob der Chef teilnimmt oder nicht.» Hier wird ihm erstmals klar: Eine abwechslungsreiche Tätigkeit wie die der Assistenz mit verschiedenen Aufgaben und der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Leuten, das ist sein Ding.

2016 endet sein befristeter Vertrag, und Michel Schielly fehlt eine Anschlusslösung. Für ihn beginnt eine herausfordernde Zeit der Stellensuche. «Es war gerade Hochsaison der Suchenden, und auf mich «Neuling» hatte niemand gewartet.» Die Motivation in dieser Zeit der Arbeitslosigkeit nicht zu verlieren, sei nicht einfach gewesen. Geholfen habe ihm sicher das familiäre Umfeld, das ihn immer wieder motivierte, sowie ein selbst auferlegter Tagesrhythmus, der ihm die nötige Struktur gab: Jeden Tag regelmässig aufstehen, sich neuen Bewerbungen widmen und motiviert weitermachen. 

Nach zähen eineinhalb Jahren findet er 2018 bei der Valorec Services AG in Muttenz eine Stelle als Assistent Finanzen. «Meine erste richtige Assistenzstelle.» Doch Schielly kann sie nicht allzu lange behalten, da kurz nach seiner Einarbeitung ein Kunde abspringt und die Firma restrukturiert wird. An einem Freitag heisst es plötzlich: «Das ist dein neuer Stellenbeschrieb und deine neue Stelle.» Schielly ist auf einmal Sachbearbeiter Spedition. Ein Bereich, mit dem er noch nie etwas zu tun hatte. «Da war für mich klar, dass ich mich trotz super Teamkolleginnen und -kollegen nebenbei nach einer neuen Stelle umsehe.» 

Rückkehr nach Bern 

Heureka: Schielly wird fündig, und zwar dort, wo alles begann: im Bundeshaus in Bern. 2020 wird er Assistent Kommunikation beim VBS und unterstützt dabei den Mediensprecher Lorenz Frischknecht, mit dem er bis heute eng verbunden ist. Ab 2021 übernimmt er zusätzlich die Stellvertretung für die Assistentinnen im Vorzimmer. 

Als die Assistentin der damaligen Chefin VBS in Pension geht, denkt sich Schielly: Diese Stelle würde mich reizen. Und manchmal gibt einem das Universum auch etwas zurück. Kämpfte der Assistent vor ein paar Jahren noch darum, überhaupt eine Stelle zu finden, wird ihm diese Position nun offeriert. «Eines Tages erwähnte der Kommunikationschef, Bundesrätin Viola Amherd möchte mit uns reden. Und da sagte sie mir, sie hätte mich gern als Nachfolger für ihre jetzige Assistentin. Und für mich war klar: Ja, sehr gern.»  

Seit Anfang 2024 ist Michel Schielly nun persönlicher Assistent des Chefs VBS – und erlebte in dieser Zeit bereits zwei Chefs. Denn Bundesrätin Viola Amherd beendet ihre Amtszeit Ende März 2025, und Bundesrat Martin Pfister übernimmt das Departement. Schielly bleibt. «Es ist immer ein Gewinn für einen Bundesrat, wenn er neu ins Amt kommt und die Assistenz bereits da ist. Sie weiss, wie der Laden läuft.» 

Die Übergangsphase sei sehr intensiv gewesen, erzählt er. «Einerseits schliesst man die Zeit der Amtsvorgängerin ab, andererseits startet man mit dem neuen Chef durch.» Und die Zusammenarbeit sei natürlich auch anders als zuvor. «Aber das gehört dazu. Jeder bringt seine eigene Persönlichkeit mit, und meine Aufgabe ist es, mich darauf einzulassen.» 

Meine Wahl

Bild
VBS Michel Schielly

Foto: Aniela Lea Schafroth


Militär oder Zivilschutz? 

Beides ist wichtig. Ich selbst leiste nach wie vor Zivilschutz. Diesen Sommer war ich beispielsweise im Tessin im Einsatz, in der Region, die im letzten Jahr von Unwetter betroffen war. In solchen Momenten zeigt sich die Bedeutung dieser Einsätze. 

Haptische Zeitung oder digitale App? 

Unter der Woche im Zug nutze ich die digitalen Apps von SRF und den Regionalmedien in Basel. Am Wochenende habe ich bei einem Kaffee aber lieber eine Zeitung in der Hand, beispielsweise die «NZZ». 

Lässige oder formale Bürooutfits? 

Eher formal. Das entspricht mehr meiner Art und der Repräsentation, die meine Position erfordert. Zudem trage ich gern formelle Kleidung. Mein Kleiderschrank wird langsam zu klein für all die ­Hemden, die ich besitze. Am Wochenende bin ich allerdings gern auch mal leger unterwegs. 

Französisch oder Englisch? 

Französisch. Erstens ist es die zweite Amtssprache, und ich habe täglich mit Mitarbeitenden zu tun, deren Muttersprache Französisch ist. Zweitens stammt meine Mutter aus dem Elsass. 

ChatGPT oder selbst schreiben? 

Ich nutze ab und zu ChatGPT als Unterstützung, beispielsweise wenn ich einen Brief geschrieben habe und es einen Satz gibt, den ich immer wieder lese und noch immer nicht zufrieden bin, dann frage ich auch mal: Wie kann ich den verbessern?

Assistent beim VBS 

Inzwischen haben Bundesrat Martin Pfister und er sich gut eingespielt, und die Kommunikation zwischen ihnen funktioniere sehr gut. Kommunikation sei überhaupt das A und O seines Jobs, betont Schielly. «Bundesräte sind sehr viel unterwegs, ihr Tagesrhythmus ist intensiv und durchgetaktet. Wir kommunizieren meist direkt in den täglichen Sitzungen, daneben klassisch per E-Mail oder auch mal per Handy-Nachrichten.» 

Besonders wichtig sei die Morgensitzung um 8.15 Uhr. «Da kommt das ganze Team zusammen.» Will heissen der Bundesrat, der Generalsekretär, beide stellvertretenden Generalsekretäre, der Stabschef, der Leiter Raum und Umwelt, der Kommunikationschef, die beiden persönlichen Mitarbeiterinnen sowie Michel Schielly. Eine grosse Runde. «Dort besprechen wir aktuelle Themen und schauen die Agenda durch.» Diese Sitzung finde täglich statt, ausser an den Tagen, an denen eine Bundesratssitzung stattfindet.

Rund siebzig Prozent seiner Arbeit bestehe im vorausschauenden Agendamanagement. «Denn vieles kommt auch kurzfristig rein, dann musst du also ständig überlegen: Welchen Termin kann ich jetzt aus der Agenda rausnehmen, wo kann ich eine Sitzung platzieren, damit es am Ende wieder aufgeht?» 

Manchmal gehe er dann zu Martin Pfister und sage: «So sieht die Agenda jetzt aus, wollen wir das wirklich so machen?» Dann werde diskutiert, und falls der Chef etwas anders wolle, werde die Planung angepasst. Nebst der Agenda gehört auch das Organisieren von Anlässen zu seinen Aufgaben. «Wenn eine Weihnachtsfeier oder ein Sommeranlass ansteht, bin ich für die Organisation zuständig in Zusammenarbeit mit anderen Kolleginnen und Kollegen. Das mache ich sehr gern.» 

In den Vorzimmern der Bundesrätinnen und Bundesräte ist Schielly der einzige männliche Assistent. «Sonst arbeiten hier nur Kolleginnen.» Warum es nach wie vor so wenige Männer in seiner Position gebe? «Weil sich viele gar nicht bewusst sind, was dieser Job alles beinhaltet. Oft bleibt das Vorurteil: Du bringst nur dem Chef den Kaffee. Sobald ich erzähle, was meine Arbeit effektiv ausmacht, ist dieses Vorurteil sofort weg.» 

Auch privat erfahre er viel Verständnis für seine Arbeit. «Mein Umfeld nimmt meinen Job sehr positiv wahr und hat kein Problem damit, dass ich abends oft erst nach 19 Uhr oder am Wochenende Privates unternehmen kann.» Denn wenn er Zeit findet, verbringt er sie gern mit seinem Freundeskreis, aber vor allem mit seiner Familie, mit der er nach wie vor eine enge Beziehung pflegt.

Mit seinem Job ist Michel Schielly rundum zufrieden und möchte auch nicht wechseln. Ein Ziel hat er sich dennoch gesetzt: «Die Weiterbildung zur Direktionsassistenz schiebe ich schon länger vor mir her. Nun werde ich das endlich anpacken.»

Bild
VBS Michel Schielly

Foto: Aniela Lea Schafroth

 

Michel Schielly

Michel Schielly wird 1993 geboren und wächst gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester in Basel auf. Seine berufliche Laufbahn beginnt er mit einer Lehre als Büroassistent beim Generalsekretariat des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements in Bern, die er von 2010 bis 2012 absolviert. Daran schliesst er von 2012 bis 2014 die Ausbildung zum Kaufmann B-Profil beim Generalsekretariat des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung in Bern an. 

Nach Abschluss seiner Lehre ist Schielly bis Dezember 2016 als Mitarbeiter im Sekretariat des Kommunikationsdienstes beim Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung tätig. Es folgt eine anderthalbjährige Übergangsphase, bis er im Juni 2018 als Assistent Finanzen bei der Valorec Services AG in Muttenz eine neue Position findet. 

Dort bleibt er bis Ende 2019, bevor er im Januar 2020 als Assistent Kommunikation VBS zum Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport in Bern zurückkehrt. Ab November 2021 übernimmt Schielly die Funktion als Assistent Kommunikation VBS und Persönliches Büro der Chefin VBS sowie des Generalsekretärs VBS beim Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport. Seit Februar 2024 ist er als Assistent der Chefin VBS im selben Departement tätig. Michel Schielly ist alleinstehend und lebt in Basel.

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Christine Bachmann ist die Chefredaktorin von Miss Moneypenny.

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