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Von KI bis Vier-Tage-Woche

Für kaum eine Rolle in der Organisation bringt die neue Arbeitswelt so zwiespältige Perspektiven: Wird die Assistenzfunktion durch KI komplett wegrationalisiert oder wird sie wichtiger denn je? Eine Auslegeordnung.

Auch wenn New Work als Begriff an Relevanz eingebüsst hat, so verändert sich die Arbeitswelt dennoch laufend. Während etliche Organisationen erfolgreich die Vier-Tage-Woche eingeführt haben, holen andere ihre Mitarbeitenden wieder fünf Tage zurück ins Büro. In unserer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt gibt es zu jedem Trend einen Gegentrend. Während Führungskräfte früher noch solide Fünf-Jahres-Pla­nungen vornehmen und ihre Organisation wie Maschinen auf Effizienz trimmen konnten, brauchen wir heute Agilität und Flexibilität. Doch was sind die Treiber hinter dieser Entwicklung, und was bedeuten sie für Assistenzen?

Da ist einerseits der demografische Wandel: Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Pension, und zu wenig junge Menschen treten in den Arbeitsmarkt ein. Das führt zum vielbeschworenen Fachkräftemangel und zu einem Arbeitnehmermarkt. Plötzlich sind die Bewerbenden am längeren Hebel und können Forderungen stellen, die früher undenkbar gewesen wären. Geradlinige Karrierepfade werden weniger wichtig, was Chancen für Querein­steigerinnen und Quereinsteiger ermöglicht. Denn für immer mehr Rollen und Aufgaben wird es gar keine klassische Aus­bildung mehr geben. 

KI als Killer der traditionellen Assistenzrolle?

Das bringt uns zum zweiten Treiber, dem technologischen Wandel: Während es in den letzten 10 bis 20 Jahren noch die Digitali­sierung war, könnte nun KI unsere Arbeitswelt umkrempeln. Wie für alle Mitarbeitenden gilt für Assistenzen der Imperativ der Aus- und Weiterbildung, um am Ball zu bleiben. Auch wenn wir die Auswirkungen von KI noch nicht wirklich kennen, so ist Verwei­gerung sicher der falsche Weg. Technologische Kompetenz und analytisches Denken werden auch in den Assistenzfunktionen noch viel wichtiger.

Klar ist, dass KI das Potenzial hat, einen grossen Teil der administrativen Aufgaben zu übernehmen. Es besteht somit die reelle Gefahr, dass Assistenzstellen gestrichen werden, die nur aus administrativen Tätigkeiten bestehen. Assistenzen tun also gut daran, ihren Mehrwert abseits von Sitzungsprotokollen und Terminkoordination unter Beweis zu stellen. Gut genutzt können die Tools Assistenzen Zeit freispielen, damit sie Aufgaben mit mehr Wertschöpfung übernehmen können. Die Komplexität in unseren Organisationen wird weiter zunehmen. Kompetenzen in Kommunikation und Projektmanagement werden noch wichtiger, als sie es heute schon sind. 

Auch wenn wir heute weniger Stunden arbeiten als früher, so ist unsere Produktivität massiv gestiegen. Das bedeutet aber auch, dass unsere Arbeitswelt immer dichter und schneller wird. Meine persönliche Hypothese ist, dass KI unseren Arbeitsalltag weiter beschleunigen wird und wir noch mehr in kürzerer Zeit erledigen. Hier können Assistenzen entlasten, reduzieren und streichen. Statt nur Aufträge auszuführen, sollen sie Aufgaben und Prozesse kritisch hinterfragen.

Flexibilität statt starrer Strukturen 

Der dritte Treiber ist der fortwährende Wertewandel. Dieser wird bei Weitem nicht nur durch die jüngeren Generationen eingefordert. Die Einstellung zur Arbeit verändert sich gerade ganz grundsätzlich. Der sichere Job, der Aufstieg auf der Karriereleiter und die Loyalität zum Arbeitgeber sind vielen Menschen nicht mehr so wichtig, als dass sie diesen Zielen alles unterordnen würden.  

Gleichzeitig erfordert unsere komplexe und sich schnell ändernde (Arbeits-)Welt Mitarbeitende, die motiviert und eigenständig denken und handeln. Starre Hierarchien werden aufgeweicht, und Führung bedeutet nicht mehr, den Mitarbeitenden Aufträge zu erteilen, sondern ihnen die Rahmenbedingungen zu geben, damit diese ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Nur so werden Organisationen agil und resilient genug, um den multiplen Krisen zu trotzen.  

Die Mitarbeitenden fordern zu Recht mehr Zusammenarbeit auf Augenhöhe und hinterfragen Hierarchien. Umgekehrt steigt aber auch die Erwartung an die Mitarbeitenden: Sie sollen und müssen mehr Verantwortung übernehmen und Eigeninitiative zeigen. Das ist anstrengender, als sich hinter den Anweisungen der Chefin oder des Chefs verstecken zu können, aber auch befriedigender. Statt nur Termine zu koordinieren, geht es zum Beispiel darum, proaktiv Check-ins mit den richtigen Personen zu organisieren, damit Projekte vorangetrieben werden können. 

Erfolgreiche Organisationen sind nicht mehr starre Maschinen, sondern dynamische Organismen, die sich ihrem Umfeld rasch anpassen können. Statt in einer klaren Hierarchie arbeiten die Mitarbeitenden als Netzwerk zusammen. Assistenzen sind hier im Vorteil, da sie schon immer viele Berührungspunkte in der ganzen Organisation hatten. Dadurch können sie auch aus der Rolle von «nur Administration» ausbrechen. Ihre künftige Aufgabe kann es beispielsweise sein, dass die relevanten Gruppen zur richtigen Zeit miteinander in den Austausch gehen. 

Kulturarbeit als neues Wirkungsfeld 

All diese Entwicklungen benötigen auch eine starke Kultur, die auf effektiv gelebten Werten basiert. Viele KMU beginnen erst jetzt, sich richtig mit diesen Themen zu beschäftigen. Assistenzen haben üblicherweise ein gutes Gespür für die Stimmung im Betrieb und geniessen das Vertrauen der Mitarbeitenden. Durch ihren direkten Draht zur Geschäftsleitung können sie die Stimme der Belegschaft sein. Umgekehrt können sie eine tragende Rolle als Kulturbotschafterinnen und -botschafter übernehmen und verhindern, dass interne Gräben entstehen. Wenn Führungsprobleme auftreten oder Werte nicht gelebt werden, können sie diese Themen adressieren und den Austausch ermöglichen.  

In einer zunehmend hybriden Arbeitswelt kommt dem physischen Zusammentreffen eine umso wichtigere Rolle zu. Wenn Führungskräfte ihre Mitarbeitenden zurück ins Büro holen müssen, ist das aber ein Armutszeugnis. Assistenzen könnten sich überlegen, welchen Mehrwert das Büro bietet, damit die Mitarbeitenden ins Büro kommen wollen. Das Büro muss nicht möglichst effizient und platzsparend sein, sondern die jeweiligen Aktivitäten unterstützen und den Bedürfnissen der Mitarbeitenden Rechnung tragen. Gemeinsame Mittagessen und spontane Apéros fördern zudem den Zusammenhalt mehr als jede Back-to-Office-Richtlinie.

Fazit

Eine gute Kultur entsteht nicht dadurch, dass wir fünf Tage pro Woche im gleichen Grossraumbüro sitzen. Wichtiger ist, dass wir die gemeinsame Zeit wirklich für Kollaboration und Kreativität nutzen. Ein Schlüssel dazu sind bessere Meetings, über deren Anzahl und Qualität zu Recht laufend geklagt wird. Zudem braucht es auch mehr Workshops und Events, sowohl intern wie auch extern. Hier können Assistenzen ihre Kompetenz voll zur Geltung bringen.

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Dr. Patrick Mollet ist Mitinhaber von Great Place To Work Schweiz und beschäftigt sich intensiv mit der Arbeitswelt. Sein Wissen teilt er regelmässig auf LinkedIn, YouTube und Spotify. Er hat an der Universität Bern Betriebswirtschaftslehre und Recht studiert und anschliessend an der ETH Lausanne doktoriert.
patrickmollet.ch 

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