Premium Icon Konfliktmanagement

Werte für die Gewitterstimmung

Niemand will sie und niemand mag sie: Konflikte und Streitereien. Und doch gehören sie zur Kommunikation, finden in jeder Organisation statt. Werte helfen, schwierige Situationen früh zu erkennen. Ein paar Impulse für den Umgang mit gefährlichen Wetterlagen. 

Ein Konflikt ist verstrickt mit unterschiedlichen Erwartungen. Person A will etwas und trifft auf Person B mit ganz anderen Vorstellungen. Oft fragen sich Konfliktparteien später, wie es zu der Eskalation kommen konnte. Konflikte haben mit verletzten Werten zu tun, die unangenehm Fahrt aufnehmen können.   

Praxisbeispiel: «Wenn Verträge wichtiger sind als die Qualität der Zusammenarbeit» 

Ein Unternehmen beauftragt einen externen Dienstleister mit dem Erbringen einer Leistung. Das Unternehmen erkennt schnell, dass die Leistungen nicht passen. Der Dienstleister reagiert mit einer engagierten Sprache und erwähnt, das beste Resultat erzielen zu wollen. Das Unternehmen bleibt skeptisch. Weitere kritische Rückmeldungen folgen. Die Antworten bleiben engagiert, aber die Leistung entspricht nicht dem Wunsch des Auftraggebers.

Schliesslich bietet das Unternehmen eine vorzeitige Vertragsauflösung an, um sich im Guten zu trennen. Der Dienstleister lehnt ab. Vertrag ist Vertrag. Das Unternehmen ist sehr unzufrieden. Die Wortwechsel, mündlich und schriftlich, werden schärfer. Das Unternehmen verweigert die Zahlung, der Dienstleister weist auf Inkassomassnahmen hin. Der Konflikt eskaliert mit der öffentlichen Bewertung, welche das Unternehmen vornimmt. Der Dienstleister lenkt ein, bietet die Vertragsauflösung an und verlangt im Gegenzug die Löschung der Bewertung.   

Analyse 

In diesem Konflikt zeigt sich früh eine Ausblendstrategie. Verträge sind grundsätzlich dazu da, eingehalten zu werden – sie sind ein formelles Band. Das Praxisbeispiel zeigt jedoch, dass der Dienstleister den Unmut ausblendet und so die Werte des Partners verletzt.  

Die Formulierungen: 

Unternehmen: Wir möchten den Vertrag auflösen, weil die Zusammenarbeit wegen ... und ... nicht funktioniert. Unsere Fragen zu ... bleiben unbeantwortet.  

Dienstleister: Danke für das wertvolle Feedback. Wir setzen alles daran, ... erfolgreich umzusetzen. Danke für Ihr Vertrauen. Bei Fragen sind wir sehr gern für Sie da. 

Unternehmen schreibt nach 17 Uhr: Sie hören uns nicht zu. Wir sind mit ... nicht einverstanden und erwarten so schnell wie möglich ein Gespräch über die Vertragsauflösung.  

Dienstleister (automatische Antwort): Danke für Ihre Nachricht, die wir zeitnah beantworten. Herzlichen Dank und freundliche Grüsse.  

Das Unternehmen hat zudem bei jedem E-Mail-Wechsel eine andere Ansprechperson.

Verletzte Werte des Unternehmens: Vertrauen, Respekt, Fairness, Aufrichtigkeit.  

Die Fehler: 

Konflikte bahnen sich an und werden erst fein oder unterschwellig wahrgenommen. In dieser Phase braucht es besondere Aufmerksamkeit. Bei verletztem Vertrauen empfehle ich, die Korrespondenz einzustellen und auf Gespräche umzusatteln. Schädlich ist insbesondere eine überengagierte und invasive Sprache. Damit sind Verstärkungen gemeint, die ich «XXL mit Spickel» nenne. Das Beste geben. Alles daransetzen. Sich jederzeit voll einsetzen. Feedbacks sind sehr willkommen. 

Mit dieser Sprache wird der Konflikt mit einem unnatürlichen Make-up überschminkt. Höfliche und hohle Formulierungen werden entlarvt, als unhöflich und respektlos empfunden. Im Praxisbeispiel führt auch die verletzte Aufrichtigkeit zur Verhärtung. Das Wort Vertrauen im Umfeld von Inkassomassnahmen ist fehl am Platz.   

Die Lösung: 

Konflikte brauchen Raum, Ruhe und Zeit. Es ist wichtig, diesen Konfliktraum bewusst zu erkunden, weil sich darin Lösungsansätze zeigen. Einen Konflikt früh zu erfassen bedeutet, auf seine Tiefen einzugehen, um die Eskalation, den Vulkanausbruch zu vermeiden.

Tipp:  

Die Sprache in E-Mails zurücknehmen und Konfliktkompetenz zeigen. Beispiel: Ihre Rückmeldung zu ... zeigt uns, dass wir uns sprechen müssen. Ich melde mich am ... bei Ihnen.  

Nicht zu früh die Lösung ansteuern. Hier arbeite ich mit dem Kurvenblick; ein Konflikt ist wie eine Kurve. Beides verlangt Achtsamkeit und Präsenz. Gute «Kurvenpilotinnen und -piloten» brettern nicht unkontrolliert mit prekärer Schräglage und gefährlicher Richtung in die Kurve. Sie bereiten sie vor, am besten mit diesen Fragen: 

  • Um welche Werte geht es hier?
  • Wissen wir genug über den Konflikt, das Problem?  
  • Was können wir für die Stabilisierung der Werte tun?
  • Was sagt uns jemand und was verbirgt sich im Raum hinter der Aussage?
  • Was macht uns Angst in diesem Konflikt?  
  • Was wäre die beste, sicherste Strategie?  

Erst die Antworten auf diese Fragen, dann das E-Mail oder das Gespräch.   

Auf der Strasse hat gutes Kurvenmanagement mit diesen drei Aspekten zu tun: Tempo, Linie und Richtung. Diese Abfolge passt auch zur Kommunikation. Wörter wie «schnell», «jetzt», «sofort» oder Frage- und Ausrufezeichen sind Signale, die das Tempo anzeigen. Nehmen wir dieses Tempo auf oder drosseln wir es? Die Linie hat mit der Konfliktstrategie zu tun. Was tun wir jetzt, und was unternehmen wir später?  

Übergangene Werte sind verletzte Werte. Wird der Konflikt nicht gewürdigt, löst er sich auch nicht. Lösungsangebote funktionieren, wenn das Schwierige eine Stimme bekommt.  

Im Praxisbeispiel konnten sich Unternehmen und Dienstleister einigen. Es war haarscharf und kein Happy End. Zurückgeblieben ist der Schmerz eines Misserfolgs, einer Kollision. Die Frage «Wie konnte es so weit kommen?» war für diesen Fall zu spät. Aber hilfreich für die nächste Herausforderung. 

Impulse für die Zusammenarbeit von Werten und Konflikten  

  1. Aussagen sorgfältig auswerten und gezielt nachfragen. Der Satz «Um was geht es Ihnen?» ist am Anfang für den Gesamtüberblick gut, später zu allgemein. Später müssen die Fragen fokussierter sein: «Sie sprechen ... an. Was ist in diesem Aspekt/Teil/Bereich am wichtigsten für Sie?»
  2. Ein Konflikt ist nicht das Ganze, er ist Aspekt einer internen, externen Zusammenarbeit. Es hilft, die funktionierenden Aspekte zu erwähnen. Sie können Ressourcen (Werte) sein für das weitere Vorgehen.  
  3. Konfliktmut. Möglichst viel offenlegen mit der Haltung, dass Konflikte sein dürfen und Werte wie Vertrauen, Respekt, Aufrichtigkeit oder Fairness stärken können.
  4. Abhängigkeiten, Verpflichtungen erwähnen und respektvoll auslegen, damit keine Hierarchie, kein Ausspielen oder Abwertung entsteht.
  5. Grundhaltung «Ich gewinne dich für ...» und nicht «Ich krieg dich!» immer für den Lösungsraum kommunizieren. Der Konflikt ist auch die Lösung.  
  6. Erfolgreich scheitern ist eine Kunst. Um Werte zu schützen, ist es oft ratsam, das Scheitern zuzulassen. Positiver Effekt: Partner, die sich einvernehmlich trennen, geben sich später die besseren Noten als solche, die etwas hinnehmen, akzeptieren oder aushalten müssen.
  7. Wenige Ansprechpersonen = mehr Vertrauen und Sicherheit.  
  8. Schnell reagieren, Augenmass vor Standard.   

Konflikte sind dynamisch, testen unsere Kompetenz und sind pure Energie. Lebendige, starke Werte helfen im Umgang mit heissen Eisen.  

Kommentieren 0 Kommentare

Angelika Ramer trainiert seit über 30 Jahren Unternehmen in schriftlicher Kommunikation und verfasste zu diesem Thema fünf Sachbücher. Die Kommunikationsberaterin und frühere Journalistin ist Inhaberin der «Identität ist Sprache – Ramer & Partner AG».

Weitere Artikel von Angelika Ramer
Anmelden um einen Kommentar abzugeben.

KOMMENTARE

Kommentar hinzufügen

Das könnte Sie auch interessieren