Teamentwicklung zwischen Facebook und TikTok
Gastautorin Nadine Oppenheim weiss, wie spielerische Methoden Brücken zwischen Generationen schlagen und warum die nächste Geschäftsleitungs-Retraite facettenreicher und bunter werden darf.
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Tatort Konferenzraum: Die Diskussion ist lebhaft, die Stimmung konstruktiv, und trotzdem bleibt am Ende Ratlosigkeit im Raum. Generation Z wünscht sich mehr Flexibilität, Sinnhaftigkeit und kurze Entscheidungswege. Babyboomer fordern Verbindlichkeit und klare Zuständigkeiten. Dazwischen: Millennials, die dachten, sie hätten den Spagat schon gelernt, bis Gen Alpha vor der Tür stand.
Kommt Ihnen diese Szene bekannt vor? Wir sprechen miteinander, wir arbeiten miteinander, aber verstehen wir uns auch wirklich? Oft nehmen wir an, dass alle dasselbe meinen, nur weil wir dieselben Worte benutzen. «Das ist Fire» bedeutet für die einen Begeisterung, bei den anderen löst es völlige Ratlosigkeit aus. Und selbst scheinbar klare Sätze wie «Wir brauchen mehr Kundenzentrierung» können auf ganz unterschiedliche Weise interpretiert werden.
Die Wurzeln der Kommunikationslücke
Der Kern des Problems liegt in unserer Sozialisierung. Ältere Generationen wuchsen mit persönlichen Gesprächen, Telefonaten und Briefen auf. Kommunikation war verbindlich, meist synchron und von klaren Regeln geprägt. Jüngere Generationen hingegen sind mit Messaging-Apps, Emojis und Social-Media-Stories aufgewachsen: schnell, fragmentiert und visuell.
Diese Unterschiede führen nicht nur zu anderen Ausdrucksformen, sondern auch zu abweichenden Erwartungen. Was für die einen höflich und professionell klingt, wirkt auf die anderen distanziert oder zu formell. Knapp formulierte Chat-Nachrichten wiederum gelten bei den Jüngeren als effizient, für Ältere können sie unhöflich wirken. Die Folge: Missverständnisse, ungesagte Irritationen und ein schleichender Vertrauensverlust.
Warum PowerPoint keine Brücke baut
Es gibt unzählige Teambuilding-Angebote, doch weder die zehnte Präsentationsschlacht noch das fünfte Outdoor-Abenteuer lösen das Grundproblem: fehlendes gegenseitiges Verständnis. In Teams, in denen analog, digital und hybrid sozialisierte Generationen zusammenarbeiten, braucht es Methoden, die mehr Sinne ansprechen und so eine gemeinsame Sprache schaffen.
Denn Vertrauen entsteht selten spontan, besonders dann nicht, wenn die persönlichen Referenzrahmen weit auseinanderliegen. Missverständnisse werden oft nicht ausgesprochen, sondern still mitgetragen. Die Kunst besteht darin, einen Raum zu schaffen, in dem Unterschiede sichtbar, aber nicht trennend wirken, sondern Ausgangspunkt für gemeinsames Lernen sind.
Analoge Methoden, alte Schule mit neuer Kraft
Analoge Methoden haben in der Organisationsentwicklung einen besonderen Wert: Sie holen Menschen aus dem digitalen Tunnel und öffnen den Blick. Hier steht digital und analog nicht für die Form der Kommunikation, sondern für die Art des Austauschs.
Analoge Methoden setzen auf Ganzheitlichkeit. Sie aktivieren mehrere Sinne, machen Gedanken sichtbar und schaffen gemeinsame Referenzpunkte, bevor überhaupt gesprochen wird. Drei Beispiele zeigen, wie das funktioniert:
- Zeichnen: Klarheit in Strichen Viele zucken erst einmal zurück: «Ich kann nicht zeichnen.» Doch beim Visualisieren kommt es nicht auf künstlerische Perfektion an, sondern auf die Klarheit der Idee. Schon einfache Striche können komplexe Zusammenhänge sichtbar machen. Wer zeichnet, muss Wesentliches vom Unwesentlichen trennen. Farben und räumliche Anordnung schaffen zusätzliche Bedeutungen. Reaktionen auf Bilder sind oft individueller als auf Worte. Das bringt den Dialog in Gang.
- LEGO® Serious Play®: Denken in 3D Diese Methode kombiniert Tastsinn, Sehen und Hören. Jede Person baut ein Modell, das die eigene Sicht auf eine Frage oder Herausforderung darstellt. Danach werden die Geschichten hinter den Modellen erzählt, begleitet von den Fragen des Teams. Das Ergebnis: Auch stille Stimmen werden gehört, weil jeder und jede etwas Sichtbares beiträgt. Die Multisensorik aktiviert zusätzliche Hirnareale, macht Gedanken «begreifbar» und schafft einen tieferen Zugang zu komplexen Themen. Die Arbeit in 3D ermöglicht es, abstrakte Ideen räumlich zu erfassen und miteinander in Beziehung zu setzen.
- Szenische Mini-Improvisationen: Ideen in Bewegung bringen Kurze improvisierte Spielszenen lassen abstrakte Themen lebendig werden. Die Teilnehmenden setzen eine Situation oder ein Problem spontan in Handlung um, ohne Drehbuch, dafür mit klaren Rollen und Impulsen aus der Gruppe. So werden Dynamiken sichtbar, die in Besprechungen oft unbemerkt bleiben. Das gemeinsame Erleben schafft ein starkes Wir-Gefühl, fördert Spontaneität und öffnet den Blick für ungewohnte Lösungen.
Warum spielerische Zusammenarbeit gerade bei Generationenfragen wirkt
- Es spricht alle gleich an, egal ob CEO oder Praktikantin. Alle bauen und erzählen. Das demokratisiert die Diskussion. Hierarchien treten in den Hintergrund, individuelle Perspektiven in den Vordergrund. Die Gespräche werden lösungsorientierter, entspannter und produktiver.
- Es geht nicht um «richtig» oder «falsch». Wenn jemand ein offenes Fenster baut, um seine Vorstellung von guter Führung zu beschreiben, und eine andere Person zum gleichen Thema eine Festung mit Zugbrücke kreiert, dann wird schnell klar: Hier prallen Welten aufeinander. Aber eben konstruktiv. Im wahrsten Sinne des Wortes.
- Statt eines Schlagabtauschs entwickeln sich Geschichten. Stille Stimmen finden ebenso Gehör über ihre Modelle wie laute. Und plötzlich versteht man auch, was die Kolleginnen oder die Kollegen antreibt, die man bislang als «schwierig» oder «abgehoben» eingeordnet hat. Das Team wächst zusammen.
Fazit: Mehr Farbe für die Retraite
Generation Z, Babyboomer, Millennials und bald auch Gen Alpha bringen alle wertvolle Perspektiven mit, doch diese Vielfalt entfaltet ihre Kraft erst, wenn Teams nicht nur miteinander reden, sondern sich auch wirklich verstehen. Analoge, visuelle und haptische Methoden bieten hier einen wirksamen Schlüssel. Sie schaffen Räume, in denen alle Stimmen gehört werden, denn das Verständnis wird nicht verordnet, sondern erlebt.