Wie KI Ihre Altersvorsorge verändert
Stellen Sie sich vor: Sie laden Ihren Pensionskassenausweis in eine App und erhalten sofort eine Analyse Ihrer Vorsorgesituation – inklusive detaillierter Empfehlungen. Was wie Zukunftsmusik klingt, kann demnächst Realität sein und ist teilweise bereits verfügbar. Eine aktuelle Studie der Universität St. Gallen untersuchte, wie künstliche Intelligenz die Altersvorsorge verändert. Das Ergebnis: enormes Potenzial, aber auch wichtige Fragen.
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Das Forschungsteam der Universität St. Gallen untersuchte, welchen Beitrag KI zur Vereinfachung und Optimierung der Altersvorsorge leisten kann. Dabei kristallisierten sich sieben zentrale Anwendungsbereiche heraus: Diese reichen von der individuellen Vorsorgeberatung über die Digitalisierung von Verwaltungsabläufen bis hin zur Vermittlung von Finanzwissen und präventiven Massnahmen. Das Fazit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Künstliche Intelligenz ermöglicht nicht nur Effizienzgewinne und eine qualitativ hochwertigere Beratung, sondern unterstützt Versicherte auch dabei, ihre Altersvorsorge bewusster und informierter zu gestalten. Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg dieser Technologie sei jedoch die konsequente Einhaltung ethischer Grundsätze sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit Datenschutz und Nachvollziehbarkeit der KI-Entscheidungen.
Beratung rund um die Uhr
KI-Assistenten beantworten Ihre Vorsorgefragen jederzeit: Wie hoch wird meine Rente sein? Was passiert bei Teilzeitarbeit? Wie gestaltet sich meine Situation, wenn ich mich vorzeitig pensionieren lasse? Solche Tools können verschiedene Szenarien durchspielen und zeigen sofort die Auswirkungen. Der Vorteil solcher Tools: Sie sind schnell und günstig. Die Kehrseite: Bei komplexen Lebenssituationen stossen die Systeme an ihre Grenzen.
Tipp: Nutzen Sie digitale Tools für Standardfragen und weiterhin die persönliche Beratung für wichtige Entscheidungen.
Massgeschneiderte Vorsorgepläne
Schluss mit Einheitslösungen. KI passt Ihre Vorsorge automatisch an Lebenssituationen an: Sie bekommen eine Gehaltserhöhung? Das System schlägt vor, wie viel mehr Sie sparen könnten. Sie erzielen ein unregelmässiges Einkommen? Ihr persönlicher Vorsorgeplan wird flexibel angepasst. Aber: Je mehr Personalisierung, desto mehr Daten werden benötigt.
Tipp: Überlegen Sie genau, welche Daten Sie preisgeben.
Effizienz = höhere Leistungen?
Automatisierung senkt die Verwaltungskosten – und zwar drastisch. Was heute Dutzende Mitarbeitende erledigen, übernimmt morgen ein System: Adressänderungen, Beitragsverwaltung, Rentenauszahlungen, Beantworten von (einfachen) Vorsorgefragen. Das spart aufseiten der Vorsorgeanbieter Kosten, was unter Umständen in Ihre Leistungen fliessen kann. Gemäss eingangs erwähnter Studie sehen die befragten Expertinnen und Experten in diesem Punkt das höchste Potenzial. Die Kehrseite: Arbeitsplätze fallen weg.
Tipp: Nutzen Sie Self-Service-Portale aktiv.
Klügere Anlagen dank KI-Empfehlungen?
KI analysiert Märkte in Echtzeit und passt Portfolios automatisch an. Klingt gut, aber in diesem Punkt sind die Expertinnen und Experten sehr skeptisch. Denn auch die KI stützt sich auf aktuelle Zahlen, Daten und Fakten und kann höchstens vermuten, wie sich die Märkte in Zukunft entwickeln. Wenn alle Systeme gleich reagieren, droht Herdenverhalten, zudem gelten KI-Systeme als «Black Boxes»: Warum und auf welcher Grundlage hat das System genau diese Entscheidung getroffen? Und Finanzmärkte bleiben unberechenbar.
Tipp: Verstehen Sie die Grundzüge Ihrer Anlagestrategie selbst.
Vorsorgewissen für alle
Hand aufs Herz: Verstehen Sie wirklich, wie das Schweizer Drei-Säulen-System funktioniert? Was der Umwandlungssatz bedeutet? Wie sich ein Vorbezug auf Ihre Rente auswirkt? Die meisten von uns müssen hier passen. Und genau das ist ein Problem, denn wer seine Vorsorge nicht versteht, kann auch keine guten Entscheidungen treffen. KI-basierte Lernplattformen können hier helfen. Sie erklären komplexe Zusammenhänge in einfacher Sprache, passen sich an den Wissensstand der Nutzerinnen und Nutzer an und nutzen interaktive Elemente, um trockene Materie lebendig zu machen. Die Expertinnen und Experten glauben, dass dieser Punkt ein enorm hohes Potenzial in sich trägt. Die Kehrseite: Veraltete oder falsche Informationen können zu Fehlentscheidungen führen.
Tipp: Prüfen Sie wichtige Informationen bei mehreren Quellen.
Der vorsichtige Blick in die Glaskugel
Die grössten Risiken bestehen im Datenschutz, der Datenqualität, bei der sozialen Ungleichheit (Menschen ohne digitale Kenntnisse werden abgehängt), in Haftungsfragen bei Fehlern und bei der übermässigen Technologieabhängigkeit.
Auf der anderen Seite sind aber auch entsprechende Chance auszumachen: Effizienzgewinn, Kostensenkung, grössere Transparenz, personalisierte Lösungen und ein breiterer Zugang zu Wissen. Die KI wird die menschliche Beratung nicht ersetzen; zu erwarten sind in Zukunft hybride Modelle, in denen die KI-Routineaufgaben erledigt werden und bei komplexen Entscheidungen immer noch Fachpersonen in Fleisch und Blut mit Ihnen am Tisch sitzen.
Technik-Expertinnen und -Experten müssen wir mit grösster Wahrscheinlichkeit auch nicht werden. Jedoch wird in Zukunft Grundwissen über die eigene Vorsorge wichtig sein, und die persönliche Beratung muss erhalten bleiben. Ob die zu erwartenden Leistungen durch mehr Self-Service-Aktivitäten und dementsprechend tiefere Administrationsgebühren wirklich höher werden? Das kann durchaus sein. Eine Garantie gibt es aber auch hierfür nicht.
KI wird die Altersvorsorge nicht revolutionieren, sondern schrittweise verbessern. Das grösste Potenzial liegt dort, wo Technologie unterstützt statt ersetzt. Die beste Vorsorge kombiniert menschliche Expertise mit digitaler Effizienz.